Lästern macht Spaß

Warum lästern wir so gerne über andere?

Klatsch und Tratsch ist gemein, aber nicht so schlimm, wie wir denken. Was steckt dahinter?

Drei Kolleginnen sitzen in der Kantine am Tisch. Ihr Gespräch läuft zäh vor sich hin. Das Trio sieht gelangweilt aus. Offenbar hat man sich nicht viel zu sagen. Doch plötzlich schlägt die Stimmung um. Die drei rücken enger zusammen, suchen Blickkontakt, setzen verschwörerische Mienen auf, tuscheln, lächeln und wirken wie beste Freundinnen, die sich höchst anregend unterhalten. Was ist passiert? Ganz einfach: Eine hat angefangen, über die Chefin zu lästern – und die anderen sind mit vollem Herzen dabei. Der Talk läuft. Die Wut auf die Vorgesetzte ist gewaltig. Da tut Lästern einfach gut. Es ist wunderbar, sich über die Macken der Chefin auszutauschen. Schade nur, dass die Mittagspause gleich vorbei ist und danach ein schaler Nachgeschmack bleibt. Hilfe, haben wir wieder gelästert. Müssten wir uns eigentlich nicht schämen?

Verbreitet, aber unbeliebt: Gossip hat ein Imageproblem

Keineswegs. Denn über andere herzuziehen, ist zwar gemein, aber nicht so schlimm, wie wir denken. Das liegt vorm allem am Imageproblem von Klatsch und Tratsch. Gossip (der englische Begriff für Tratsch) hat einen schlechten Ruf. Meist haben wir dabei hinterhältige Leute im Kopf, die heimlich etwas Böses oder Falsches sagen und sich nicht trauen, das offen zu tun. Die einen freundlich anlächeln und das Gesicht verziehen, sobald ihr Gegenüber von der Blickfläche verschwunden ist. Die Lügen in die Welt setzen, Gerüchte weitertragen oder doppelzüngig reden, um andere herunterzumachen. Natürlich ist das nicht auszuschließen, doch es ist nur ein kleiner Teil von allem, was unter Lästern fällt.

Dahinter steckt der Wunsch nach Zugehörigkeit

Der viel größere Teil geschieht nicht aus Bosheit, sondern aus dem Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Deshalb ist die vermeintliche Charakterschwäche auch so verbreitet. In mehr als einem Drittel der Zeit, in der wir mit anderen reden, geht es Studien zufolge um Leute, die nicht anwesend sind. Ob privat oder im Job, ob Männer oder Frauen, Kinder oder Greise – alle tun es. Und zwar gern. Unbewusst geht es um Vertrauen, Verbindungen und Wir-Gefühl. Die meisten möchten beim Lästern nicht verletzen, sondern einfach mal Dampf ablassen.

Klatsch und Tratsch stärkt Beziehungen

Außerdem verbindet Tratschen. Man lacht gemeinsam, stärkt die Beziehung und das eigene Ego, bekommt Beifall und darf Humor zeigen oder hervorlocken. Gossip hilft, Ängste zu bewältigen. Je unsicherer man selbst ist, desto mehr geht’s ums Beifallheischen. An der Universität Amsterdam fanden Studierende heraus, dass Menschen nicht über andere tratschen, um sie schlecht zu machen, sondern einfach weil es ein soziales Vergnügen ist. Informationen sammeln, die mit sich selbst vergleichen und die eigene Weltsicht bestätigt sehen – das bringt Gleichgesinnte zusammen und setzt Glückshormone frei. Es ist ein unterhaltsamer Weg, möglichst schnell etwas über andere zu erfahren, ohne sie gut zu kennen oder direkt fragen zu müssen.

Lerneffekt: Wie verhalte ich mich richtig?

In der Evolution hat sich Klatsch und Tratsch schon immer als sinnvoll erwiesen, denn man erfährt dabei Dinge, die das Zusammenleben in einer Gruppe erleichtern. Was ist willkommen? Was sollte ich besser lassen? Das gilt heute vor allem am Arbeitsplatz. Wenn wir hinter vorgehaltener Hand über andere herziehen, erfahren wir aus den Reaktionen unserer Mitmenschen, ob wir es mit potentiellen Kooperationspartnern zu tun haben oder ob wir besser Abstand halten. Die Werte andere zu kennen, schützt vor Ausschluss aus einer Gruppe. Deshalb wird auch in eingeschworenen Gemeinschaften getuschelt wie nichts Gutes. Danach haben die meisten verstanden: Wer Normen verletzt, kann selbst Opfer werden, also halte ich mich lieber dran.

Gemein und geheim macht die Sache spannend

Natürlich geht’s auf Kosten anderer, aber – anders als zum Beispiel beim Mobbing – kriegen die davon nichts mit. Und das ist gut so. Gemein und geheim ist schließlich doppelt spannend. „Wenn alle Menschen wüssten, was die einen über die anderen reden, gäbe es keine vier Freunde auf Erden“, sagte schon der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal (1623 bis 1662). Gossip kann also nur Balsam für die Seele sein, wenn die Opfer nichts davon erfahren.

Billiges Lästern schafft keine Verbündeten

Allerdings gilt nicht „Je mehr ich stänkere, desto besser ist mein Ansehen“. Denn es kommt auf die Qualität des Lästerns an. Ein billiges „Guck mal, ist der hässlich“ hat keine Klasse. Es darf nicht darum gehen, einen Menschen bewusst zu verletzten. Wer damit auf sich aufmerksam macht, um Verbündete zu finden, erreicht oft das Gegenteil. Niemand schließt sich an; manche rümpfen die Nase. Man ist nah dran an der Grenze zum Mobbing.

Besser über Verhalten als über Menschen herziehen

Wer das vermeiden will, sollte mit selbstgesetztes Filtern ans Werk gehen und vorher über mögliche Wirkungen nachdenken. Schlage ich verbal auf jemanden als Person ein oder lasse ich mich über sein Verhalten in bestimmten Punkten aus? Eine pauschale Attacke („der ist nur doof“) bringt wenig, während eine Lästerrunde über Dinge oder Verhalten („das ging ja wohl nach hinten los, wie die gestern aufgetreten ist“) schnell Fahrt aufnimmt und Gespräche in Gang bringt, die das Wir-Gefühl fördern. Natürlich ist das nicht unbedingt netter, aber man hat in Sachen Psychohygiene etwas davon.

Tröstliche Schadenfreude nach Unrecht

Es tröstet vor allem, wenn uns vorher echtes oder vermeintliches Unrecht widerfahren ist. Die Kollegin wurde befördert und wir selbst nicht. Der Nachbar gibt bei jeder Gelegenheit mit seinem Auto an. Die Supermutter prahlt so gerne, wie toll sie ihre Kinder erzieht – da mischt beim Lästern Schadenfreude mit. Und die hilft herunterzukommen, wenn man sich provoziert fühlt. Ohnehin dämpfen Rechtfertigungen („selber schuld, wenn die hier so rumtönt“) die Wucht des schlechtes Gewissens.

Erleuchtung in Sachen Selbsterkenntnis

Wer das Lästern nicht lassen, aber auch nicht übertreiben will, macht Abstufungen. Man kann zum Beispiel betonen, dass der schnöselige Kollege, über den gerade hergezogen wird, auch nette Seiten hat und tolle Dinge schafft, aber leider in diesem einen Punkt wahnsinnig nervt. So führt man das Gespräch aufs Verhalten und kann sich darüber sogar konstruktiv austauschen. Was könnte Herr Schnösel besser machen? Warum stört genau das? Stecken vielleicht eigene Probleme oder Neid hinter der Lästerlust? Auf diese Weise lässt sich therapeutisches Wutablassen vielleicht sogar mit Erleuchtungen in Sachen Selbsterkenntnis verbinden.

Wer zu viel lästert, verspielt Vertrauen

Auch beim Lästern kommt es auf die Dosis an. Wer nur via Klatsch und Tratsch Kontakte knüpft, landet leicht in der Sackgasse. Das firmenbekannte Klatschmaul und die berüchtigte Lästerschwester, die bei jeder Gelegenheit über andere herzieht, genießen selten Vertrauen. Schließlich befürchtet andere zurecht, ziemlich schnell vom Kumpel zum Opfer zu werden. Dauer-Lästerer gelten als inkompetente Stimmungsverderber, wenn nie etwas Positives von ihnen kommt. Also ruhig mal unverfroren ablästern, aber dann auch wieder freundlich werden und über andere Dinge reden.

Foto: pexels auf pixabay.com

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