Auch wenn wir pappsatt sind, lässt die Lust auf Zucker und Co. nicht nach. Was steckt dahinter?
Wer kennt das nicht? Der Bauch ist gut gefüllt. Eigentlich ist man pappsatt, aber dann kommt noch ein Angebot, das niemand ausschlagen kann. Es gibt zum Nachtisch ein Stück Kuchen, einen Pudding, ein Tellerchen mit Pralinen oder niedliche Zuckerkringel – und schon verändert sich der Sättigungsgrad auf phänomenale Weise. Statt „Nein danke“ heißt es jetzt: „Das passt noch rein.“ Warum nur sind zuckrige Extrakalorien so unwiderstehlich?
Gute Ausrede: Die Evolution ist schuld
Wer sich selbst für willensschwach hält, darf sich erst einmal entspannt zurücklehnen und erklären: Die Evolution ist schuld. Das stimmt tatsächlich. In grauer Vorzeit sicherte das Bedürfnis nach Süßem das Überleben. Was so herrlich schmeckt, kann nicht giftig sein, wusste der Steinzeitmensch instinktiv. Nicht nur auf der Zunge signalisieren Süßrezeptoren Sicherheit. Auch in anderen Regionen wie Darm, Blase, Nieren oder Gehirn sitzen Andockstellen einer Zelle, die erkennen: Wow, hier gibt es schnelle Energie, her damit!
Reichlich Glückshormone zur Belohnung
Das Gehirn springt vor allem bei der Kombination aus Fett und Zucker an. Die Süße wirkt stimmungsaufhellend. Wenn wir Süßigkeiten vertilgen, wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, von dem wir gar nicht genug bekommen können. Die Lust auf mehr verstärkt sich dann so, dass die ursprünglichen Sättigungssignale des Gehirns einfach überschrieben werden. Wir gewöhnen uns daran und brauchen bald immer mehr Zucker für denselben Effekt. Kein Wunder, dass das Aufhören zunehmend schwieriger wird.
Sättigungsgefühl nach üppigem Essen ist relativ
Ein anderer Grund: Hinter dem Fachbegriff „spezifisch sensorische Sättigung“ steht die Tatsache, dass das Sättigungsgefühl nach einer üppigen Mahlzeit relativ ist. Satt sein bedeutet nicht unbedingt, dass die Füllgrenze tatsächlich erreicht ist. Es heißt nur, dass man genug von Nahrungsmitteln mit dem gleichen oder sehr ähnlichem Geschmack hat. Denn wirklich satt ist der Magen nie. Seine Botschaften lauten sinngemäß eher: „Ich habe jetzt genug Brokkoli und möchte noch etwas anderes.“ Ein Teller mit Nudeln und Gemüse deckt zum Beispiel das Bedürfnis nach Herzhaftem, lässt aber noch Platz für Träume in Form von Tiramisu.
Ein Reflex, um möglichst vielfältig zu essen
Auch das steckt in unseren Genen. Die Evolution hat nämlich vorgesehen, dass wir vielfältig essen, um möglichst zahlreiche Nährstoffe aufzunehmen. In Hungersnöten war das ein überlebenswichtiger Reflex, mit dem der Körper in der Not viele Nährstoffe aus verschiedenen Lebensmitteln ziehen konnte. Heute zeigt sich das unter anderem daran, dass wir uns beispielsweise nach viel Süßem eher nach Salzigem sehnen. Wer zu einer Hauptmahlzeit nur Kuchen isst, spürt danach das Gefühl „Jetzt brauche ich aber noch was Richtiges“.
Die Macht der Gewohnheiten ist stark
Nicht zu vergessen ist auch die Macht der Gewohnheit. Häufig lernen wir schon als Kind, dass gesundes Essen mit Ungesundem belohnt wird („nur wenn du die Bohnen isst, gibt’s danach ein Eis“). Oder dass ein Essen erst vollständig ist, wenn es am Ende noch etwas Leckeres „für den kleinen Löffel“ gibt. Da verknüpft das Gehirn süße Desserts unbewusst mit Kindheitserinnerungen. Das Naschis-Nachlegen wird zur langjährigen Gewohnheit.
Bunt, vielfältig und sättigend essen
Was lässt sich dagegen tun? Bis zu einem gewissen Maß kann man der Evolution ein Schnippchen schlagen und den Süß-Jieper bremsen. Ernährungswissenschaftler raten deshalb, möglichst abwechslungsreich zu essen, also unterschiedliche sattmachende farbenfrohe Mischungen aus Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten auf den Tisch zu bringen. Leider hilft das nicht immer, denn während Süßes einst Mangelware war, steht es heute im Übermaß zur Verfügung. Wer sich nicht zurückhalten kann, wird auf die Dauer dick und krank. Wichtig ist es deshalb, bewusst Schadensbegrenzung zu betreiben.
Kleine Mengen erlauben statt verbieten
Wer nicht auf Schokolade und Co. verzichten will oder kann, sollte das süße Dessert gleich mit einplanen und es sich dann auch ohne schlechtes Gewissen gönnen. Denn Verbote steigern nur das Verlangen. Für den Sahnepudding zum Finale kann man zum Beispiel auf die Vorspeise verzichten oder den Teller überwiegend mit Gemüse füllen. Oder die Menge reduzieren; oftmals reichen kleine Portionen. Wichtig ist dann nur, dass der Vorratsschrank nicht endlos Nachschub hergibt. Übrigens kann man kann Gewohnheiten auch verändern. Es muss nicht immer Zuckriges sein. Franzosen essen traditionell Käse zum Nachtisch – einfach weil sie es gewohnt sind.
Foto: Albert
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