Eltern-Burnout

Eltern-Burnout: Wenn Mütter oder Väter nicht mehr können

Schlaflose Nächte und stressvolle Tage: Das Leben mit Kindern kann Eltern zur Verzweiflung treiben

Eltern-Burnout! Es gibt Tage, an denen geht einfach nichts mehr. „Ich könnte dann nur noch heulen“, sagt die 40-jährige Katja. Letzte Woche war wieder mal so ein Tag. Die Einzelhandels-Kauffrau mit Teilzeitstelle hatte frei und wollte die Zeit in aller Ruhe zu Hause mit ihren Söhnen Luis (4) und Yannik (2) verbringen. Doch zur Ruhe kam an diesem Tag niemand. Die Jungens stritten sich schon beim Aufstehen lautstark um das neue Schaukelpferd, verwüsteten die Wohnung mit ihren Sachen, warfen am Tisch eine Müslischale herunter und veranstalteten ein Riesentheater, weil sie keine Gummistiefel anziehen wollten. Als Yannik dann noch im Supermarkt einen Wutanfall bekam und Luis kurzfristig verloren ging, war Katja einem Nervenzusammenbruch nahe.

Bittere Bilanz: Ich habe nur geschimpft

Nach solchen Tagen zieht sie viel zu oft eine bittere Bilanz: „Ich wollte mit den Kindern fröhlich sein, habe aber eigentlich nur geschimpft.“ Die Mutter gehört zu den Eltern, die gefährdet sind, an einem so genannten Burnout (deutsch: Ausgebrannt sein) ernsthaft zu erkranken. Warum leiden Eltern an der Krankheit, die ursprünglich überlastete Berufstätige traf? Es ist dabei keineswegs die Doppelbelastung mit Job und Kindern, die Eltern zu schaffen macht, sondern vor allem der Arbeitsplatz Familie. Elternsein ist riskant.

Eltern im Stress: Es fehlt die Anerkennung

Wissenschaftler fanden heraus: Wer „ausbrennt“, leidet zum Beispiel sehr oft unter mangelnder Anerkennung von außen. Er kann nicht selbst entscheiden, was wann gemacht wird (die Kinder bestimmen den Alltag), erlebt keine Erfolge, wird aber für Misserfolge verantwortlich gemacht (jedes Kindergeschrei ist für Eltern ein Misserfolg, jede Minute, die das Kleine mal ruhig spielt, ist nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm). „Niemand weiß zu schätzen, was ich den ganzen Tag leiste“, heißt es oft. Burnout-Betroffene müssen unter Zeitdruck vieles gleichzeitig bewältigen (das Baby liegt auf dem Wickeltisch, der große Bruder stürzt vom Stuhl, das Handy klingelt und an der Haustür steht der Paketbote). Wer ohne Rücksicht auf seinen Zustand und ohne Pausen Nachtschichten schieben muss, gehört ebenfalls zur Risikogruppe.

Erholsamer als ein Tag zu Hause

All das trifft auch auf Katja zu. Sie ist für die Kinder zuständig. Jeden Tag, rund um die Uhr. Jetzt hat sie vor allem Angst vorm Winter. Da sind die Kinder viel krank, können nicht raus, und wenn die Grippe sie selbst erwischt, muss sie trotzdem ihre 24-Stunden-Schicht als Köchin, Krankenschwester, Erzieherin, Putzfrau und Krankentransport-Fahrerin schieben. Nur im Büro, wo sie arbeitet, wenn die Kinder bei einer Tagesmutter sind, kann sie ein Attest vorlegen, das sie von der Arbeit befreit. Aber das will sie gar nicht unbedingt. Ihr Büro ist nämlich der einzige Ort, an dem sie mal in Ruhe etwas zu Ende machen kann und ihre Leistung anerkannt wird („das ist Erholung – im Vergleich zu einem Tag zu Hause“).

Familienleben ohne Harmonie

Doch das ist für Katja noch nicht das Schlimmste. Viel deprimierender empfindet sie den Riesenunterschied zwischen dem, was sie sich für ihre kleine Familie erhofft hatte, und dem, was im realen Alltag abläuft. „Ich liebe meine Kinder über alles, ich habe sie mir so lange gewünscht, wollte eine perfekte Mama in einer harmonischen Familie sein. Aber mir war nicht klar, dass der Alltag so anstrengend ist.“ Auch das ist typisch für Burnout-Gefährdete. Je höher die Erwartungen, desto größer ist die Enttäuschung. Meist trifft es Menschen, die mit großer Begeisterung und hohem Arbeitseinsatz ihren Aufgaben nachgehen. Je engagierter man ist, desto eher ist man gefährdet, überfordert zu sein.

Schlechte Kommunikation

Ein weiterer Faktor ist die schlechte Kommunikation unter den Beteiligten. Am Arbeitsplatz Familie ist das die Partnerschaft, die in der Kleinkinderphase harten Bewährungsproben ausgesetzt ist. Denn wenn nicht beide Eltern an einem Strang ziehen, erleben Mutter und Vater miteinander mehr Frust als Unterstützung, was die Burnout-Symptome noch verschlimmert. Obwohl Katja verheiratet ist, fühlt sie sich alleinerziehend, denn ihr Mann ist ihr im Alltag kaum ein Hilfe. Wenn er spät nach Hause kommt, will er nur noch vorm Fernseher sitzen und sich ausruhen. „Ich soll dann die Kinder vom Wohnzimmer fernhalten, damit sie ihn nicht stören. Das ist anstrengender als wenn er gar nicht da ist“, sagt Katja. Auch nachts steht der Papa nie auf, wenn ein Kind weint. Er muss ja morgens in aller Frühe raus, um seinen Zehn-Stunden-Tag im Büro zu schaffen. Was hilft gegen Eltern-Burnout?

Schluss mit dem Perfektionismus

Zuerst einmal müssen Eltern, die alles richtig machen wollen, ihre Ansprüche herunterschrauben. Niemand muss immer gut gelaunt hundertprozentig funktionieren. Es schadet keinem Kind, wenn es stundenweise von anderen Leuten betreut wird. Im Gegenteil: „Um ein Kind groß zu ziehen, braucht man ein ganzes Dorf“, heißt ein afrikanisches Sprichwort. Zufriedene Eltern brauchen ein Netz von Kontakten – zum Helfen und zum Reden. Mütter sollten sich Hilfe im Haushalt leisten, denn die Arbeit dort ist niemals fertig.

Gegen Eltern-Burnout: Zeit für mich

Außerdem brauchen Eltern Zeit für sich selbst. Untersuchungen haben gezeigt, dass Mütter und Väter, die sich regelmäßig Zeit für sich selbst nehmen, glücklicher sind und mit ihren Kindern stressfreier zurecht kommen. Ob Sport, Musik, ein Treffen mit anderen oder ein Stadtbummel – wichtig ist, dass Eltern regelmäßig Dinge (ohne Kinder!) tun, die ihnen Spaß machen. Kinderfreie Stunden sind die besten Stresskiller.

Beziehungs-Pflege als Schutz

Ein Ehepaar redet im Durchschnitt nur fünf Minuten am Tag miteinander. Kein Wunder, dass die Liebe im Alltag mit Kleinkindern allzu leicht in Vergessenheit gerät. Man hat ja keine Zeit, die Kinder stören immer, oder Mama und Papa sind einfach zu müde. Vor allem, wenn Frauen das Gefühl haben, von ihrem Partner allein gelassen und nicht gewürdigt zu werden, sind sie häufig wütend auf den Mann, und Beziehungs-Stress ist vorprogrammiert. Dabei ist eine gute Paar-Beziehung ein wichtiger Burnout-Schutz. Paare, die ihre Kind zumindest zeitweise abwechselnd betreuen, sich auch unter widrigen Umständen Zeit für Gespräche nehmen, miteinander ausgehen, die Kinder auch mal in fremde Hände geben, um ein Wochenende wegzufahren, kommen besser klar und fühlen sich seltener als hilflose Opfer der Verhältnisse.

Mit Kind und Kegel zur Kur

Das ist für viele erschöpfte und kranke Eltern die letzte Rettung vor dem Zusammenbruch. In Eltern-Kind-Kuren können Mütter und Väter sich nicht nur körperlich erholen, während die Kinder gut betreut sind. In der Regel gehören auch Gesprächstherapien dazu, bei denen die Betroffenen lernen, das eingefahrene Verhalten so zu ändern, dass es ihnen auch nach der Kur zu Hause besser geht.

Der Weg zum Eltern-Burnout

Ein Burnout tritt nicht plötzlich auf – meist erst nach jahrelangem Stress. Bis dahin durchlaufen die Betroffenen verschiedene Stufen:

Für Erwachsene, die sich rund um die Uhr um ihre Kinder kümmern, wird dieser „Beruf“ zwangsläufig zum Lebensinhalt, was leicht zu einem Überengagement führt.

Wenn dann nicht alles friedlich verläuft (und das tut es mit Babys und Kleinkindern so gut wie nie), ist das so frustrierend, dass es aggressiv oder depressiv macht, man wird weniger leistungsfähig. Da ein Dienst nach Vorschrift mit Kindern nicht möglich ist, versuchen Eltern die Arbeit auf den Partner abzuwälzen oder flüchten – wenn es möglich ist – ins Büro.

In der Phase der Verflachung geht das Interesse an Freundschaften, Hobbys und Aktivitäten so zurück, dass die Eltern einsam werden.

Krankheiten, Schlafstörungen und Alkohol- oder Tablettenmissbrauch treten danach vor allem dann auf, wenn Probleme in der Partnerschaft dazukommen oder ein chronisch krankes Kind betreut werden muss.

In der Burnout-Phase brechen die Betroffenen körperlich zusammen und fühlen sich in jeder Hinsicht hilflos. In Familien kommt es aber selten bis zur letzten Phase.

Foto: Albert

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