Das sollten Sie zu Schwangeren nicht sagen

Das sollten Sie zu Schwangeren lieber nicht sagen

Warum viele Fragen und Ratschläge zum Thema Kinderkriegen nerven oder wehtun

Meist geschieht es aus Verlegenheit, Unachtsamkeit oder sogar, um Freude und Anteilnahme auszudrücken. Doch leider gehen viele Tipps und Fragen an werdende Eltern in die Hose. Beim Thema Kinderkriegen ist längst nicht jeder Ratschlag willkommen, auch wenn die Betroffenen sich nicht dagegen wehren. Lesen Sie hier, was hinter oft unverschämten Feststellungen steckt, wie man es besser macht und vor welchen Fehlern Sie sich hüten sollten.

Familienplanung: Wann kriegt ihr denn ein Baby?

Ist ein Paar schon ein paar Jahre zusammen, wird es fast unweigerlich mit Fragen konfrontiert: „Und, wann ist es denn bei euch soweit? Wollt ihr denn keine Kinder haben? Wird es nicht langsam mal Zeit? Arbeitet ihr schon dran?“ Gern in Kombination mit Tipps wie „Wartet nicht zu lange, sonst kann es irgendwann zu spät sein“ oder „Haltet euch ran, wenn es mehrere werden sollen“. Dabei geht es um sehr persönliche und intime Fragen, die sich nicht zum Smalltalk eignen, aber trotzdem ungeniert zwischen Tür und Angel gestellt werden. Niemand weiß, welche Dramen sich eventuell dahinter verbergen. Ob ein Paar vielleicht seit Jahren über die Kinderfrage streitet oder es vergeblich versucht. Ob es eine oder mehrere Fehlgeburten hinter sich hat oder schon viel Kraft, Geld, Nerven und Tränen in künstliche Befruchtung stecken musste und jetzt gleich mehrfach verletzt wird.

Endlich schwanger: Wie lange habt ihr probiert?

Es hat geklappt. Ein Paar erwartet Nachwuchs und verkündet die frohe Botschaft? Auch in diesem Moment stehen einige Fettnäpfchen bereit. „Gratuliere, wie lange habt ihr es denn probiert? – War das Absicht oder ein Unfall? – Huch, jetzt schon? Wollt ihr nicht noch warten? – Na endlich, wurde aber auch Zeit“. Ob jemand geplant oder ungeplant, nach vier Wochen oder vier Jahren schwanger geworden ist, ob die „Wartezeit“ zu lang oder zu kurz war – all das ist subjektiv und geht nicht jeden sofort etwas an, denn auch das ist sehr persönlich.

Der Bauch wächst: Boah, schiebst du eine Kugel vor dir her!

„Hui, das werden ja wohl Drillinge! – Ach herrje, man sieht ja gar nichts – Au weia, das ist ja nicht zu übersehen – Oh ha, schon mal was von Ganzkörperschwangerschaft gehört? – Du hast ja gar nicht richtig zugenommen – Boah, schiebst du eine Kugel vor dir her“. Ob viel oder wenig Bauch, ob als Kompliment oder entsetzte Feststellung – jede Form von Körperbeurteilungen bitte einfach unterlassen. Es geht fast immer schief. Die einen wünschen sich vielleicht, dass die Schwangerschaft endlich sichtbar wird. Andere wiederum verstecken lieber ihren Bauch. Auch die Frage von Fremden „Darf ich mal deinen Bauch anfassen?“ ist übergriffig. Sonst fast man ja auch niemanden an, um den Bauch zu fühlen.

Nach Namen fragen: Wie kann man sein Kind nur so nennen?

Wie soll das Kleine denn heißen? Eine eigentlich harmlose Frage birgt Sprengstoff, wenn die werdenden Eltern plötzlich kritisiert werden, weil andere ihren Geschmack nicht teilen. „Oh Gott, wie kann man sein Kind nur so nennen? – Macht das bloß nicht, ich kennen jemand ganz Schrecklichen, der so heißt – Soll der Name etwa Programm werden? – Wollt ihr nicht meinen Lieblingsnamen nehmen? – Das passt doch gar nicht zu euch! – Also ich fände xy besser.“ Wer fragt, um zu urteilen, darf sich nicht wundern, wenn der Name bis zur Geburt ein Geheimnis bleibt.

Ungebetene Ratschläge: Du musst jetzt unbedingt …

Ob andere selbst Kinder haben, planen oder nie welche wollen – oft feuern Menschen wie im Reflex eine ganze Liste von ungebetenen Ratschlägen ab, nur weil sie einer werdenden Mutter begegnen. „Du musst bis zum Schluss viel Sport machen – Hör mal besser mit dem Sport auf – Putz bloß keine Fenster mehr, das löst Wehen aus – Du musst regelmäßig zum Arzt – Renn doch nicht dauernd zum Arzt – Ein bisschen Alkohol schadet nicht – Iss bloß nicht für zwei – Lieg doch nicht so faul auf dem Sofa – Überanstreng dich nicht – Waaas, ihr wollte jetzt noch in den Urlaub? – Hey, ihr müsst unbedingt noch eine große Reise machen“. Solche Ratschläge gehören zu den Klassikern, die man getrost aus dem eigenen Repertoire streichen kann. Auch Tipps aus der Kategorie „Das habe ich gemacht und deshalb ist es gut so“ oder Sätze, die mit „Das könnte ich nicht“ anfangen, dürfen Sie sich sparen.

Kreißsaal-Horror: Und dann bin ich fast gestorben

Wenn der errechnete Termin naht, ist das leider für einige Leutchen ein willkommener Anlass, von den eigenen Erfahrungen (und wenn es die nicht gibt von denen anderer) zu erzählen. Manchmal so, als müsse man sich mit den eigenen Leiden profilieren – frei nach dem Motto „Je dramatischer desto besser“. „Ich hatte 36 Stunden Höllenschmerzen, und dann bin ich fast gestorben – Das gesamte Personal im Kreißsaal war echt gemein – Danach hatte meine Freundin einen Unterbodentotalschaden.“ Selbst wenn solche Storys stimmen, ist jetzt der falsche Zeitpunkt dafür, denn die bevorstehende Geburt löst meist auch ohne sie genug Ängste aus. Natürlich sollte niemand die Sache mit blumigen Worten verklären und falsche Erwartungen wecken. Eine Geburt ist nun mal kein Spaziergang. Trotzdem gibt’s eine gute Regel: Lassen Sie Schwangere einfach ihre eigenen Erfahrungen machen. Drüber reden kann man auch danach ganz prima.

Erster Besuch beim Baby: Keine Fotos, keine Küsse

Das Baby ist geboren. Viele Leute wollen es sehen. Da ist prinzipiell gar nichts gegen zu sagen. Doch Sie sollten dabei rücksichtsvoll vorgehen. Das heißt: Nicht ohne Einladung und Anmeldung zu Hause oder im Krankenhaus erscheinen, weil Sie angeblich ein Recht dazu haben. Natürlich küsst man kein fremdes Baby. Auch mit Fotografieren und Posten sollten Sie sich zurückhalten. Das überlassen Sie lieber den Eltern oder fragen um Erlaubnis.

Besserwissen statt informieren: Meine Sicht ist richtig!

Wer bleibt erst einmal zu Hause? Wie lange soll die Elternzeit dauern? Arbeiten beide weiter? Vielleicht in Teilzeit? Oder ein paar Jahre gar nicht? In Sachen Lebensplanung werden mit der Ankunft des Babys grundlegende Weichen gestellt, die durchaus interessanten Gesprächsstoff bieten. Leider geht’s vom Informieren direkt in Angriffe über, wenn andere nicht zuhören, sondern vor allem von sich selbst erzählen möchten und ihre eigenen Erfahrungen zum Maß aller Dinge machen. „Du musst unbedingt sofort zurück in den Job. Ich war acht Wochen nach der Geburt wieder da, und das war super – Geh bloß nicht zu schnell wieder arbeiten. Ein Kind braucht seine Mutter, frühe Fremdbetreuung schadet – Wenn ich nicht drei Jahre zu Hause geblieben wäre, hätten sich unsere Kinder nicht so gut entwickelt.“ Kein Wunder, wenn die frischgebackenen Eltern schweigsam werden. Denn gleichgültig, was sie planen, von solchen Gesprächspartnern werden sie doch nur belehrt.

Was steckt hinter dem Drang zur Besserwisserei?

Beim Thema Kinderkriegen meinen leider ziemlich viele Leute, ihren Senf dazugeben zu dürfen. Was steckt dahinter? Offenbar ist die Fortpflanzung eines Paares für viele Allgemeingut. Wer glaubt, aufgrund eigener Erfahrungen schlauer zu sein, posaunt das gerne heraus. Es ist schließlich ein Grundbedürfnis, Anerkennung zu bekommen – und zur Not auch mit ungebetenen Ratschlägen darum zu betteln. Die eigenen Ansichten herauszustellen und die anderer herunterzumachen, dient letztendlich dem Fishing for Compliments und der Selbsterhöhung. So manche indiskrete Frage oder Feststellung kaschiert eigene Unsicherheiten.

Manches rutscht einfach aus Verlegenheit heraus

Hinzu kommt: Menschen neigen nun einmal dazu, sich mit anderen zu vergleichen, um sich selbst Orientierung zu verschaffen. Das gilt vor allem in Situationen, in denen es kein klares Richtig oder Falsch gibt. Und das sind beim Thema Kinder und Co. leider unendlich viele. Außerdem sind Schwangere oft selbst so verunsichert, dass sie offenbar einen hilfsbedürftigen Eindruck machen. Schließlich beschäftigen sie sich tatsächlich mit tausend Fragen, googeln, lesen, lauschen und saugen auf, was ihnen zu Ohren kommt. Oft steckt keine böse Absicht dahinter, wenn andere vermeintlich gute Tipps geben wollen. Manches rutscht einfach unbedacht heraus – aus Verlegenheit („irgendwas muss ich ja sagen“) oder aus Gewohnheit („also ich an deiner Stelle …“). So mancher tarnt die eigene Lust, andere zu belehren, auch mit Hilfsbereitschaft („ich will dir doch nur was Gutes tun“).

Ein „Geht euch nichts an“ fällt schwer

Die meisten Betroffenen haben sich angewöhnt, nervende Fragen höflich wegzulächeln oder vage zu beantworten („hmm, ja, mal sehen“). Dabei dürften sie eigentlich gegenüber entfernten Bekannten und Verwandten unverhohlen klarstellen: „Geht euch nichts an.“ Doch das bringt kaum jemand über die Lippen. Zumal die Zeit rund um Geburt und Schwangerschaft ohnehin eine Phasen der emotionalen Achterbahnfahrten ist. Da braucht niemand zusätzliche Konflikte. Riskieren angehende Eltern die Konfrontation, erzeugen sie beim Gegenüber eventuell ein patziges „Man wird doch noch mal fragen dürfen“. Also treten sie eher den Rückzug an und versuchen, Abstand zu gewinnen.

Souverän bleiben und in sich selbst vertrauen

Prima, wenn es gelingt, sich ein dickes Fell zuzulegen, sich selbst zu vertrauen und das souverän zu vertreten. Es hilft, sich klar zu machen, dass alles, was andere sagen, einfach nur Meinungen sind. Mehr nicht. Niemand muss sich entschuldigen oder erklären, wenn er anderer Ansicht ist. Ein cooles „Danke für den Hinweis, aber wir kriegen das auch allein hin“ reicht. Wer noch mehr wagt, kann klarstellen: „Wenn wir einen Ratschlag brauchen, fragen wir euch.“ Menschen, die auf Höflichkeit bedacht sind, dürfen die selbsternannten Besserwisser auch loben („interessanter Ansatz, wir denken drüber nach“) und dann das Thema wechseln, bevor die Oberlehrer weitermachen.

Offene Gespräche helfen beim Enttabuisieren

Das heißt nicht, dass alle Baby-Themen ein Tabu sein müssen. Im Gegenteil. In der Familie, mit engen Freunden und Vertrauten tut Offenheit gut – auch wenn es um Fehlgeburten oder unerfüllten Kinderwunsch geht. Das sollte aber nicht zwischen Tür und Angel oder am Buffet in der Kantine geschehen, sondern in längeren ruhigen Gesprächen. Denn wenn andere eingeweiht sind, hört das nervende Nachfragen auf und das Verständnis wächst. Zum Glück ist es in den letzten Jahren zunehmend normal geworden, nicht mehr schamhaft zu schweigen, sondern in die Offensive gehen. Prominente machen es auf Instagram öffentlich vor, ernten dafür überwiegend Lob, tragen zur Enttabuisierung bei und zeigen, dass man auch einfühlsam mit diesen Themen umgehen kann statt sie totzuschweigen.

Achtsam kommunizieren: Wie geht’s besser?

Das ist übrigens gar nicht so schwer, wenn man sich ein bisschen bemüht. Dabei geht es in erster Linie um achtsame Kommunikation und nicht nur darum, die gröbsten Fehler zu vermeiden. Überlegen Sie, bevor Sie spontan und eventuell unbedacht etwas sagen: Was haben angehende Eltern oder die, die es noch werden wollen, davon? Schwingt in meiner Frage ein Urteil mit oder möchte ich wirklich etwas wissen? Will ich eigentlich nur von mir selbst erzählen oder bin ich bereit zuzuhören? Sie können sich auch gedanklich in die Welt der anderen versetzen: Wollen die mit mir wohl über ihre Lebensentwürfe, ihre Partnerschaft, eventuelle Krisen oder Probleme sprechen? Wenn ja, wird das Gespräch von allein in Gang kommen. Wenn Sie unsicher sind, können Sie sich die Legitimation holen („wollt ihr drüber sprechen oder lieber nicht?“). Wenn nein, sollten Sie besser schweigen.

Foto: Marjon Bestman auf pixabay.com

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