Diese Lebensweisheit hilft tatsächlich: Was wir nicht persönlich nehmen, prallt leichter an uns ab
„Wie soll ich bloß gelassen bleiben? Heute ist nicht mein Tag“, denkt Johannes schon am Morgen. Seine Präsentation ist nicht fertig. Im Büro wird es Ärger geben. Seine Frau hat schlechte Laune, der Sohn mal wieder verschlafen. Und dann kommt‘s noch schlimmer: Irgendein Trottel beschädigt sein Auto und braust davon. Johannes kann das Nummernschild nicht mehr entziffern. Der Kratzer ist zwar winzig, aber erkennbar. Sofort wird er stinksauer: So ein Mistkerl, haut einfach ab, na warte, dich kriege ich. Er ist im Nu auf hundertachtzig und weiß nicht, wie er wieder herunterkommen soll. Hätte er den flüchtigen Fahrer erwischt, wäre es womöglich zu einer Schlägerei gekommen.
Gelassen bleiben: Dumm gelaufen, aber nicht zu ändern
Wie kann Johannes besser mit seiner Wut umgehen? Eine kleine Lebensweisheit ist hilfreich: Einer Zen-Geschichte zufolge stellte ein Schüler seinem Meister genau diese Frage. Der erzählte daraufhin die Story vom leeren Boot. Der Schüler soll sich vorstellen, im Nebel mit seinem frisch gestrichenen Boot unterwegs zu sein. Plötzlich taucht ein anderes Boot auf, fährt direkt auf ihn zu, sodass es ein paar Sekunden später kracht. Der Schüler wird wütend. Was soll das? Kann der Penner nicht aufpassen? Will der mein Boot kaputt machen? Mich persönlich angreifen? Während sein Blutdruck steigt, erkennt er, dass in dem anderen Boot niemand sitzt. Es ist leer. Sein Zorn verraucht auf der Stelle. Er seufzt und denkt: Dumm gelaufen, aber nicht zu ändern. Hilft ja nichts, wenn ich mich jetzt aufrege, selbst wenn die Wut berechtigt wäre.
Was bringt mir meine Wut, wenn sie niemanden trifft?
Was lernen wir aus dieser Geschichte? Wenn wir niemanden haben, den wir für unsere Wut verantwortlich machen können, wird es nutzlos, sich aufzuregen. Es wäre lächerlich, gegen das leere Boot zu treten oder es zu beschimpfen. Das heißt: Wer den Anlass für Ärger umdeutet, kann sich von frustrierend langen Schmoll- und Wutphasen befreien, die nur herunterziehen und niemandem nützen. Ein Ärgernis ohne Schuldigen ist kein Grund zum Dampfablassen.
Destruktive Rachegelüste lassen sich mit einem Trick vermeiden
Wenn wir uns also klarmachen, dass wir keine gezielt ausgesuchten Opfer sind, kommen wir schneller wieder herunter und werden zufriedener. Der Gegner hatte vielleicht nur seinen Vorteil im Kopf. Er hat etwas aus Versehen gemacht oder wurde von Sachzwängen getrieben, die wir nicht kennen. Aber er wollte uns nicht absichtlich schaden. Bei solchen Gedanken lässt der wütende Schmerz leichter nach, wir kommen schneller darüber hinweg. Wir ersparen uns selbstzerstörerische Gedanken und destruktive Rachegelüste. „An seinem Ärger festzuhalten ist genauso wie eine glühende Kohle in die Hand zu nehmen, um sie nach jemandem zu werfen. Du bist derjenige, der sich verbrennt“, warnt Buddha.
Foto: Albert