Sehnsucht

Eine kleine Sehnsucht: Die wunderschöne Qual

Sich nach etwas zu verzehren, ist ein ambivalentes Gefühl. Sehnsucht tut weh, aber auch gut

Wenn die Sehnsucht kommt, breitet sie sich schnell aus. Sie ist ein schaurig-schöner Seelen-Schmerz, den wir körperlich spüren. Manchmal tut sie weh, manchmal ist sie aber auch wunderbar. Wie kann das sein? Wir fühlen uns, als ob sich der Brustkorb zusammenzieht und die Luft zum Atmen raubt. Das Gefühl ist laut Definition eine „Krankheit des schmerzlichen Verlangens“ nach etwas, das man begehrt, aber nicht haben kann: Nach einem geliebten Menschen, einer bestimmten Zeit des Lebens, einer Sache oder einem Zustand. Das kann schmerzlich sein, denn die trübe Realität holt einen irgendwann zwangsläufig ein. Es hinterlässt Traurigkeit darüber, dass das ganz große dauerhafte Glück in der Liebe, im Beruf, in der Familie oder im Alltag sich einfach nicht einstellen will. Wer vergeblich träumt und sich seinen Sehnsüchten hingibt, wird bitter enttäuscht und von unkontrollierbaren Gefühlen überwältigt. Eine solche Sehnsucht kann krankhaft werden, in Melancholie umschlagen oder gar als Todessehnsucht in Suizidwünschen enden.

Sehnsucht rührt uns zu Tränen

Trotzdem suchen wir sie: Wir hören gerne sehnsuchtsvolle Lieder, lieben Geschichten, die von Sehnsucht getragen sind, lassen uns sogar zu Tränen rühren und genießen das. Der Grund für dieses scheinbare Paradox: In der Sehnsucht steckt immer auch ein Funke Hoffnung. „Eine kleine Sehnsucht braucht jeder zum Glücklichsein“, lautet das gleichnamige berühmte Lied von Friedrich Hollaender aus dem Jahr 1930, in dem es um „ein Stückchen Sonnenschein, eine Sehnsucht für den grauen Tag, eine Sehnsucht ganz egal wonach“ geht. Im Vergleich zu konkreten Plänen und Zielen sind Sehnsüchte in der Regel nicht erreichbar. Wir können sie aber trotzdem so einsetzen, dass sie nicht nur wehtun. Denn im Sinne von Tagträumen lebt die positive Sehnsucht davon, dass vielleicht Teile doch erfüllt werden. Wenn jemand weiß, dass es das perfekte Glück nicht gibt, darf er seine kleinen, kontrollierbaren Sehnsüchte ruhig zulassen. Sie sind dann so etwas wie Stimmungsmacher, die antreibende Emotionen wecken. So gibt das ambivalente Gefühl dem Leben doch zumindest eine Richtung.

Sehnsucht braucht realistische Ziele

Aus der Motivationsforschung ist bekannt, wie stark das Kopfkino uns leiten kann, wenn wir den Mut haben,von etwas zu träumen, das nicht völlig unrealistisch ist. Je intensiver wir an uns glauben oder uns bestimmte Ziele ausmalen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie erreichen. Dann kann die kleine Sehnsucht zu großen Taten beflügeln. Nicht umsonst motivieren sich zum Beispiel Sportler mit Tagträumen, in denen sie sich selbst auf dem Siegertreppchen ganz oben sehen. Der Wunsch nach Glück und Erfolg ist dann so stark, dass er vieles in Gang setzt. Forschende vermuten, dass Menschen, die in ihrem Leben viel wagen und erreichen, auch mehr Sehnsüchte haben. Das Ziel unserer Sehnsüchte sollte deshalb nie ein Leben ohne Sehnsucht sein. Denn eine kleine Sehnsucht braucht jeder zum Glücklichsein.

Sehnsucht

Fotos: Albert

 

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