Stürze, Unfälle und langes Sitzen können zu heftigen Beschwerden am Steißbein führen
Schmerzen im unteren Rücken beim Sitzen, Stehen oder Treppensteigen? Das kann am Steißbein liegen. Steißbeinschmerzen, in der Fachsprache als Coccygodynie bezeichnet, äußern sich durch heftiges Stechen oder Brennen im Gesäßbereich. Die Symptome strahlen manchmal bis in Hüfte, Becken, Lendenbereich oder Genitalregion aus. Die Folge: Stuhlgang oder Geschlechtsverkehr verlaufen schmerzhaft. „Auch wenn das Steißbein recht klein ist, beeinflusst es unser Wohlbefinden immens“, sagt der Neurochirurg Dr. Munther Sabarini, Wirbelsäulenspezialist und Gründer der Avicenna Klinik in Berlin.
Steißbeinschmerzen: Viel Sitzen erhöht das Risiko
Ein Blick auf die Evolution des Menschen zeigt, dass es sich beim Steißbein um einen rudimentären Schwanz handelt, der sich zurückentwickelt hat. Zwei bis fünf kleine, miteinander verwachsene Knochensegmente bilden die unterste Spitze der Wirbelsäule und dienen als Ansatzpunkt für Muskeln, Bänder und Sehnen, die daneben liegen. Zwar wirkt das Steißbein unscheinbar, aber nach einem Sturz aufs Gesäß oder nach einem Sportunfall macht es sich äußerst schmerzhaft bemerkbar. Auch wer viel Zeit im Sitzen verbringt, riskiert Steißbeinschmerzen.
Frauen leiden fünfmal häufiger als Männer
Frauen leiden dabei fünfmal häufiger unter Coccygodynie als Männer. Das liegt unter anderem an Veränderungen des Körpers während einer Schwangerschaft und kann die Folge einer schwierigen Entbindung sein. Entsteht bei der Geburt ein langanhaltender Druck auf das Steißbein, kann das zu Reizungen oder einer leichten Veränderung der Steißbeinposition führen. Langwierige und starke Schmerzen sind die Folge. Das gilt auch, wenn Tumore oder angeborene Anomalien im Steißbereich sowie Knochenhautentzündungen, Steißbeinfisteln oder Nervenreizungen auftreten. „Da es so viele unterschiedliche Ursachen für Steißbeinschmerzen gibt, sollten Betroffene frühzeitig einen Facharzt aufsuchen, sodass sich die Beschwerden nicht zu chronischen Schmerzen entwickeln“, rät Dr. Sabarini.
Physiotherapie und Übungen zu Hause
Zur Behandlung der Beschwerden gibt es verschiedene Möglichkeiten. Manchmal lindern endzündungshemmende Medikamente die Schmerzen schon ausreichend. Zusätzlich kann ein Sitzring das Steißbein entlasten. Physiotherapie und spezielle Übungen für zu Hause sind ebenfalls wirksam. In schwereren Fällen werden örtliche Kortison-Injektionen eingesetzt. Verschaffen konservative Methoden keine Schmerzlinderung, setzen Fachärzte minimalinvasive Behandlungen wie die sogenannte Denervierung ein. „Dabei führt der Chirurg eine Spezialkanüle genau an der Stelle der gereizten Nerven ein, die zuvor mit einer Nadel lokalisiert wird“, erklärt Dr. Sabarini. „Anschließend werden die Nervenfasern mithilfe eines kleinen Lasers stillgelegt.“
Regelmäßige Bewegung zur Vorbeugung
Nach einer Behandlung am Steißbein müssen Patienten lernen, rückengesünder zu leben – insbesondere richtig und aufrecht zu sitzen. Wer sich im Beruf und in der Freizeit regelmäßig bewegt, entlastet das Steißbein. Ergonomische Bürostühle und gymnastische Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur wirken sich positiv auf das Steißbein und die gesamte Wirbelsäule aus. Patienten sollten langes Sitzen unbedingt meiden. Damit Steißbeinbeschwerden gar nicht erst auftreten, empfiehlt der Facharzt zusätzlich regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen, bei denen mögliche Erkrankungen im Steißbereich erkannt werden können.
Foto: Albert