Dafür gibt es keine festen Altersgrenzen und keine Gesetze, aber gute Empfehlungen
„Du sollst nicht weggehen.“ Mit diesem Satz lag Sophie ihrer Mutter jahrelang in den Ohren. Nur mit schlechtem Gewissen verließ die Mama dann das Haus, um so schnell wie möglich wieder zurück zu sein. Doch plötzlich ist alles anders. „Wann geht ihr mal wieder weg?“, fragt die Neunjährige jetzt häufiger. Inzwischen ist aus der Frage eine Aufforderung geworden. Denn Sophie will gerne allein sein. Am liebsten lädt sie sich dann eine Freundin ein und die beiden gleichaltrigen Mädchen freuen sich über ihre kleine Freiheit. Die Eltern sehen es gern. Kein teurer Babysitter mehr und keine Klagen beim Abschied.
Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften
Gesetzliche Vorschriften, ab wann man Kinder allein zu Hause lassen kann, existieren nicht. Rein rechtlich dürfen Eltern sich auf ihr Gefühl und ihren gesunden Menschenverstand verlassen. Trotzdem gibt es klare Empfehlungen, denen zu Folge unter Dreijährige immer beaufsichtigt sein sollten. Mit vier kann man Kinder kurz (bis zu einer halben Stunde) in sicherer Umgebung außer Sichtweite, aber in der Nähe allein lassen. Erst im Schulalter (ab zweiter oder dritter Klasse) dürfen es auch mal zwei Stunden sein (besser am Nachmittag als am Abend); ab etwa zehn Jahren auch mehrere – wenn die Kinder das wollen und reif genug dafür sind.
Ein Crash-Kurs für die Persönlichkeit
Was steckt dahinter, wenn Kinder plötzlich gerne allein sind, obwohl sie sich jahrelang davor gefürchtet haben? Alleinsein ist für Kinder vor allem ein reizvolles Experiment, bei dem sie ihre eigene Persönlichkeit entdecken können. Ein kleiner Crash-Kurs in Sachen Selbständigkeit. Sie wollen normalerweise erst einmal testen, wie es ist, über sich selbst bestimmen zu dürfen. Und das geht nur, wenn keiner da ist. Jungen und Mädchen können in dieser Zeit Verhaltensweisen ausprobieren, ohne von Erwachsenen beobachtet und kontrolliert zu werden. Das ist sehr wichtig, damit sie lernen, ihre Grenzen ihrem Alter entsprechend selbst zu setzen. Allein bewegen sie sich ein Stück in der Erwachsenenwelt und treffen Entscheidungen, die ihnen die Eltern sonst abnehmen. Gelingt das, so stärkt es ihr Selbstbewusstsein.
Eigenständig sein oder sich einsam fühlen?
Das Glück des Alleinseins hält allerdings nicht lange an. Experten warnen: Wenn Kinder zu lange und zu viel allein gelassen werden, schlägt das tolle Gefühl der Eigenständigkeit ganz schnell um in Einsamkeit, Unsicherheit oder Angst. Kinder ab etwa acht Jahren sollten deshalb möglichst nur mit älteren Geschwistern oder zuverlässigen Freunden länger als ein paar Stunden unbeaufsichtigt sein. Alleinsein muss die reizvolle Ausnahme bleiben.
Vorher klare Absprachen treffen
Damit es klappt, gelten ein paar Regeln: Lassen Sie Ihr Kind nur allein, wenn es das wirklich will und in der Lage ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Wenn es nicht ganz allein sein möchte und keine Geschwister da sind, sollte es sich einen Freund oder eine Freundin einladen dürfen. Klare Absprachen geben Sicherheit: Wann genau kommen Mama und Papa zurück? Wie soll das Kind sich verhalten, wenn es an der Tür klingelt? Wo kann es die Eltern erreichen? Sind im Notfall Nachbarn da? Wo findet es sonst Hilfe? Kennt es Risiken (offene Fenster, Kerzenlicht, Herd)? Nur wenn Eltern ein gutes Gefühl haben, ihr Kind unbeaufsichtigt zu lassen, sollten sie diesen Schritt wagen.
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