Optimistische Kinder

Gute Erziehung: So werden Kinder zu Optimisten

Glückskinder werden nicht geboren, sondern durch Erziehung und Erfahrung gemacht

Zweimal neben das Tor geschossen? Der sechsjährige Philipp wird wütend, tritt den Fußball ins Gebüsch und läuft vom Sportplatz. Sein Freund Lucas trifft bei den ersten beiden Versuchen auch nicht besser. Doch er lässt sich nicht entmutigen. Der dritte Schuss sitzt, und die Misserfolge sind vergessen. Lucas trainiert weiter. Zwei gleichaltrige Kinder, zwei gleiche Aufgaben, zwei verschiedene Einstellungen – nicht nur zum Kicken, sondern auch zum Leben an sich. Denn Lucas ist nicht unbedingt geschickter, stärker oder schlauer als Philipp. Lucas ist – anders als sein Freund – Optimist. Er glaubt an sich und seine Fähigkeiten, weil er schon oft genug erfahren hat, dass sich das lohnt. Optimistische Kinder schaffen nicht nur mehr, sie sind auch gesünder, glücklicher und beliebter. Sie haben mehr Freunde und bessere Beziehungen zu anderen Menschen. Sie zeigen in der Schule bessere Leistungen und sind später erfolgreicher im Beruf. Da ist es kein Wunder, dass Eltern sich vor allem das eine wünschen: Möge mein Kind ein Optimist werden.

Schöne Erinnerungen halten länger

Die Voraussetzungen dafür sind bei den meisten Kindern gut. Das grundsätzlich optimistische Lebensgefühl von Kindern hat sich wahrscheinlich im Laufe der Evolution entwickelt. „Die Natur schützt die Kinder seelisch, indem sie ihnen ein verschwenderisches Maß an Hoffnung mitgegeben hat“, sagt der amerikanische Psychologe Professor Martin Seligmann. Im kindlichen Weltbild dauern schöne Ereignisse unendlich lange, die schlechten sind viel schneller vergessen als bei Erwachsenen. Die Kindheit, so erinnern viele Erwachsene sich später mit Wehmut, war die einzige unbeschwerte Zeit, die geprägt war von dem herrlich-optimistischen Lebensgefühl „Mir gehört die Welt“. Trotz der optimistischen Anlagen wird leider nicht jeder Junge oder jedes Mädchen ein Glückskind. Wer diese Anlagen in seinem Kind nicht entdeckt, nicht weckt oder gar durch falsch verstandene Erziehung zerstört, macht sein Kind – meist ohne es zu ahnen – zum Pessimisten.

Frühe Erfahrungen prägen uns

Was machen Optimisten-Eltern anders? Die amerikanische Psychologin Susan Vaughan hat das Phänomen Optimismus ausführlich erforscht und dabei festgestellt: „Wir werden zwar nicht als Optimisten oder Pessimisten geboren, aber früheste, später unbewusste Kindheitserfahrungen von Geborgenheit beziehungsweise Frustration zeichnen unsere Grundstimmung vor.“ Die Wurzeln des Optimismus liegen demnach in den Erfahrungen, die ein Kind macht. Ähnlich wie ein junges Tier speichert ein Mensch seine frühen Erlebnisse unterbewusst im Gehirn ab. Bei Tierversuchen zeigte sich zum Beispiel, dass „optimistische“ Ratten im Notfall überlebensfähiger sind.

Lernen, dass es sich lohnt zu kämpfen

Forscher setzten junge Ratten ins Wasser. Zwei Gruppen mussten eine Zeitlang schwimmen. Eine Gruppe konnte immer wieder rettende Inseln erreichen; die andere musste ohne durchhalten. Im Wettkampf am Ende zeigte sich, dass diejenigen, die mit Inseln trainiert hatten, mehr als doppelt so lange durchhielten, obwohl die anderen sich bei der Paddelei ohne Insel sicher bessere Kondition antrainiert hatten. Die Forscher schlossen daraus: Die Tiere schafften das durch ihren Optimismus. Sie hatten oft genug erfahren, dass es sich lohnt, Rettung zu suchen. Den anderen Ratten fehlte diese Erfahrung. Sie gaben auf.

Macht über die eigenen Gefühle

„Wir Menschen funktionieren im Prinzip so ähnlich“, sagt Susan Vaughan. „Optimismus beruht auf der Fähigkeit, sich die Illusion einer Insel aufzubauen und zu bewahren.“ Das findet im Kopf statt. Nach Meinung der Optimismus-Expertin sollten Kinder so früh wie möglich lernen, dass sie selbst die Macht über ihre Gefühle haben. „Frühkindliche Erfahrungen bringen uns entweder an die Schalthebel der Macht, oder sie führen dazu, dass wir uns wie bloße Passagiere in der Achterbahn der Gefühle vorkommen.“

Selbstverteidigung gegen „Gefühlsmonster“

Schon kleine Kinder werden von negativen Gefühlen wie Angst, Wut oder Einsamkeit bedroht. Susan Vaughan nennt solche Ängste „Gefühlsmonster“. Wenn diese Monster Einzug halten, muss ein Kind sich wehren können – mit schönen Gedanken, die es befreien. Es muss erfahren, dass es eine Ruhe nach dem Sturm gibt, dass es sich lohnt zu hoffen und zu kämpfen. Und dass es selbst die Macht über die Monster hat. So gelangt es zu einer optimistischen Grundeinstellung. Die Expertin: „Die zentrale Aufgabe der Kindererziehung ist es, von Anfang an den kindlichen Gemütszustand modulieren zu können und diese Fähigkeit allmählich auf das Kind zu übertragen.“

Liebe und Erfolgserlebnisse sind wichtig

Das beginnt schon nach der Geburt und hört ein Leben lang nicht auf. Die Psychiatrie-Dozentin: „Optimismus ist kein Zustand, sondern ein Prozess.“ Und zwar ein lernbarer, denn „unser Gehirn lässt sich überlisten, Stimmungen können beeinflusst werden.“ So lautet die Theorie. Praktisch machen die meisten Mütter und Väter das im Alltag instinktiv richtig: Ein Baby, das weint und von seinen Eltern getröstet wird, lernt dabei: Ich bin nicht hilflos. Ich kann es schaffen, wieder zufrieden zu werden. Anfangs geht das nur mit Mamas Hilfe. Später kann dieses Kind sich alleine tröstende Bilder in Erinnerung zu rufen.

Erziehung zum Selbstbewusstsein

Durch eine Erziehung zum Selbstbewusstsein mit Liebe, Verständnis, Zeit und möglichst vielen Erfolgserlebnissen lernen Kinder, optimistisch zu denken. Phantasievolle Mädchen und Jungen haben es dabei leichter. Ihre Gedankenwelt, ihre Tagträume und ihre phantastischen Illusionen helfen ihnen, ein „Illusionsbaumeister“ zu werden. Aber: Ist das nicht eine gefährliche Flucht vor der Realität? Hilft es nicht besser, sich zusammenzureißen und der Realität ins Auge zu sehen, um psychisch gesund zu bleiben?

Kindern die Welt positiv erklären

Studien ergaben das Gegenteil. Wer nur die oft allzu bedrückende Realität sieht, kann den Augenblick kaum noch genießen, wird depressiv, manchmal sogar suizidgefährdet. „Im Zweifelsfall ist die Illusion eines Optimisten gesünder als der Realismus des Pessimisten“, erklärt Susan Vaughan. Meist lässt die Frage nach Illusion oder Realität sich gar nicht eindeutig beantworten. Ist ein Glas halb voll oder halb leer? Für den Optimisten ist es halb voll; der Pessimist sieht das halb leere Glas. Es ist eben die Sicht der Dinge, die den Optimisten vom Pessimisten unterscheidet.

Eltern sollten ihren Kindern die Welt möglichst positiv erklären. Wenn zum Beispiel beim Backen ein Kuchen misslingt und auseinander fällt, sollte Mama nicht verzweifeln – nach dem Motto „Ich werde das wohl nie schaffen“, sondern Hoffnung machen: „Der nächste Kuchen wird bestimmt besser.“ Oder: „Dann gibt es heute eben Brösel-Kuchen. Der schmeckt auch prima.“

Foto: alteredego/pixabay.com

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