warum wir so ungern über geld reden

Pssst! Warum wir ungern über Geld reden

Neid, Angst, Missgunst: Beim Tabuthema Finanzen spielen Gefühle eine große Rolle

Wenn es ums Geld geht, sind die Deutschen schweigsam. Wie hoch ist das Gehalt der Kollegen? Wie viel haben die Nachbarn wohl gespart? Was kostet das neue Haus von Irene und Sebastian? Um solche Fragen zu beantworten, wird eher spekuliert als recherchiert. Denn über Finanzielles zu reden, ist in Deutschland ein Tabu. Die wenigsten sprechen mit Freunden, Bekannten oder entfernteren Familienmitgliedern über ihr Geld. Unter Paaren ist das Einkommen heute in der Regel Vertrauenssache, doch nach außen unterliegt es der höchsten Geheimhaltungsstufe. Das hat verschiedene Gründe.

Konvention: Über Geld spricht man nicht

Wir lernen schon als Kind „Über Geld spricht man nicht“. Und da halten wir uns dann auch dran. Konventionen spielen nun einmal eine wichtige Rolle. Doch warum gibt es dieses ungeschriebene Gesetz überhaupt? Das Thema verunsichert, weil es mit schwer kalkulierbaren Emotionen verbunden ist. Wer viel hat, wirkt vor denen, die weniger haben, schnell als protzig. Wer vergleichsweise wenig hat, fühlt sich auch weniger wert. Die Angst vor Neid und Missgunst schwingt immer mit. Da erscheint Nichts-Sagen der beste Kompromiss. In einer ansonsten (fast) tabulosen Gesellschaft legen wir freiwillig Schweigegelübde ab, obwohl wir natürlich neugierig sind.

Haben die Nachbarn mehr oder weniger als wir?

Denn wir haben ein urmenschliches Bedürfnis: Fast jeder neigt dazu, sich mit anderen zu vergleichen. Ob jemand groß oder klein, dick oder dünn, jung oder alt ist – das kann man sehen. Beim Thema Geld ist man aber auf Zahlen angewiesen, die nicht erkennbar sind. Wie sehr es ums Vergleichen geht, zeigt sich daran, dass es meist gar nicht so wichtig ist, wie viel die Nachbarn verdienen, sondern ob sie mehr oder weniger als man selbst nach Hause bringen.

Wer nicht schweigt, gefährdet den Betriebsfrieden

Gefühls-Werte wie Glück, Zufriedenheit, Harmonie oder gute Beziehungen lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken. Wir mögen aber Zahlen, weil wir uns daran gut orientieren können. So wird der Wert eines Menschen nur vergleichbar, wenn man ihn an seiner Wirtschaftskraft misst. Das wirkt aber recht nüchtern und herzlos. Offen möchte niemand dazu stehen. Im Beruf muss man sich oftmals sogar zum Schweigen verpflichten. Manche Arbeitgeber setzten eine entsprechende Klausel in den Vertrag. Häufig mit dem Argument, dass sonst der Betriebsfrieden gefährdet sei. Es soll niemand erfahren, wenn Arbeitnehmer für die gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt werden.

In jungen Jahren ist der Austausch einfacher

Im Laufe des Lebens wird das Schweigebedürfnis übrigens größer. In jungen Jahren – als Student, Praktikant oder Azubi – ist noch einfach, über das eigene Einkommen zu reden. In dieser Zeit stehen alle auf der gleichen Stufe. Man tauscht sich ungeniert aus, wie viel im Monat reinkommt und wieder rausgeht. Wenig Geld zu haben, ist nicht schlimm – im Gegenteil. Es ist sogar cool, mit einem Mini-Etat auszukommen. Alles, was man jetzt tut, ist eine Investition in die Zukunft. Wenn sich jemand als bettelarmer Student bezeichnet, wird er kein Mitleid ernten. Denn das hat nichts mit seinem Wert zu tun.

Vor allem in der Mittelschicht ein Tabu

Doch spätestens wenn es die Karrierestufen heraufgeht, ist es vorbei mit der Unbeschwertheit. Soziologen fanden heraus, dass das Thema Geld vor allem in der Mittelschicht tabuisiert wird. Hier sind die Unterschiede am größten, die Grenzen zwischen arm und reich nicht klar definiert. Mittelschicht-Familien haben Druck von oben und unten. Das macht Angst – vor allem vorm Abstieg. Oder davor, für einen potentiellen Absteiger gehalten zu werden.

Jeder Fünfte sagt die Unwahrheit

Warum lügen wir dann nicht einfach, wenn die Wahrheit so viel Stress verursacht? Das tun wir sogar: Jeder fünfte Deutsche gibt offen zu, es beim Thema Geld gegenüber Freunden und Verwandten nicht ganz genau mit der Wahrheit zu nehmen. Doch auch das ist mit Risiken verbunden, denn es kann auf anderen Wegen herauskommen. Vielleicht erzählt der Partner oder Partnerin woanders mehr als man selbst. Wer weiß, ob die Kollegen aus der Personalabteilung, die die Gehälter kennen, wirklich immer verschwiegen sind.

Widersprüche reizen zu Spekulationen

Wer sich offenbart, muss mit Spekulationen rechnen, wenn der erste Widerspruch auftaucht. Da erzählt zum Beispiel der Besitzer eines großen Hauses in bierseliger Runde von seinem vergleichsweise niedrigen Gehalt. Erst einmal herrscht betretenes Schweigen – nicht etwa, weil die Zahl peinlich wäre, sondern weil jeder sofort überlegt, wie er mit diesem Gehalt Haus, Auto und Urlaube finanziert. Hat er geerbt? Zahlen die vermögenden Eltern auch jenseits der Vierzig noch mit? Lebt er mit hohen Schulden über seine Verhältnisse? Es ist schwer, sich vor Spekulationen zu schützen. Auch wer viel hat und wenig davon zeigt, erntet keineswegs Bewunderung für seine Bescheidenheit, sondern gilt für diejenigen, die weniger haben, schnell als Geizhals, wenn er auf einem klapprigen Fahrrädern herumfährt und beim Discounter kauft. Auch umgekehrt irritiert es, wenn jemand, der bekanntlich wenig hat, ins teuerste Auto der Straße steigt.

Sich austauschen, ohne alles zu offenbaren

Wer all das vermeiden möchte, sollte den eigenen Verdienst also einfach verschweigen. Das heißt aber nicht, dass das Thema Geld an sich ein Tabu bleiben muss. Man kann sich auch mit anderen austauschen, ohne die eigene Steuererklärung offen zu legen, – und dabei viel lernen. Denn Geld ist für fast alle Menschen ein wichtiges Thema, auch wenn sie nicht drüber sprechen. Wie erreiche ich selbst gesetzte Ziele? Was prägt meinen Lebensstil? Was ist mir wichtig? Welche Geldanlagen haben sich bewährt? Wann lohnt es sich, ein Haus zu kaufen? Wie gehen andere mit ihren Ausgaben um? Menschen, die einem nahestehen, sind bei solchen Fragen gute Gesprächspartner.

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