Zerren, würgen, durchdrehen – selbst ist die Frau, auch wenn die Küche unter Wasser steht
VON KRISTINE KÜHL
Der Wasserhahn in der Küche tropft. Tap – tap – tap – tap – tap. Das Geräusch ist allgegenwärtig. Heute bin ich allein im Haus. Ich will die Ruhe nutzen, um einen längst fälligen Artikel zu schreiben. Tap – tap – tap. Lange Zeit half es, den Hahn richtig fest zu schließen. Außer mir hört es anscheinend niemand, denn ich bin die einzige, die gefühlte 100 Mal am Tag den Wasserhahn würgt. Bis der Kraftaufwand nicht mehr ausreichte und ich begann, Küchenlappen unter das eigenwillige Metronom zu legen, um das quälende Geräusch zu dämmen. Das ging lange gut. Bis jetzt. Ich sitze vor meinem Artikel. Tap – tap – tap dringt es in mein Bewusstsein. So kann ich nicht arbeiten. Das Problem muss gelöst werden. Sofort!
Wenn der Wasserhahn tropft, liegt‘s an mürben Dichtungen
Soll ich einen Klempner rufen? Nein, heute ist Samstag, und es wird dauern, bis der einen Termin frei hat. Im Netz erfahre ich, dass mürbe Dichtungen die Ursache für das Leck sind. Mehrere Videos und Beschreibungen erklären Schritt für Schritt, wie man die Griffe des Wasserhahns abmontiert und die Dichtung austauscht. Also los. Ich dreh den Haupthahn im Keller zu, denn der Absperrhahn unter der Spüle lässt sich nicht bewegen. Ich folge den Anleitungen: Die Griffe sollen sich mit einem Ruck abziehen lassen. Ich rucke und zerre, vergeblich. In dem Fall soll man die kleine Schraube unter der Plastikabdeckung lösen. Welche Plastikabdeckung? Die Griffe sind aus Metall. Also doch nochmal ziehen. Nichts! Ich verliere die Geduld, setze die Rohrzange, drehe gegen den Widerstand. Knack, der Griff gibt nach.
Der Griff dreht durch. Ich auch
Ich folge weiter den Beschreibungen, drehe die Dichtung auf die gute Seite, füge alles wieder zusammen und will den Griff befestigen. Doch der findet keinen Halt und dreht durch. Ich auch. Hätte ich doch schon längst einen Klempner gerufen. Jetzt muss ich bis Montag warten. Doch wie soll der unter meine Spüle kommen? Den Weg versperrt eine Ikea-Schublade. Ich löse die einzigen beiden Schrauben, die ich sehen kann. Nichts löst sich. Na gut, vielleicht kennt der Klempner sich damit aus. Aber was mache ich ohne Wasser, das ganze Wochenende? Ich stelle einen großen Topf unter den den Hahn, dreh im Keller den Haupthahn wieder auf und will warten, bis der Pott voll ist.
Das Wasser sprudelt in meine Küche
Ein Knall, Licht aus – ich eile in die Küche. Es herrscht Land unter. Das Wasser ist nicht nur in den Topf geflossen, sondern an der Seite durch die Grifföffnung in hohem Bogen heraus gesprudelt. Alles nass. Das Tiramisu, das ich heute Abend auf eine Party mitbringen wollte, die Arbeitsplatte, die Wände hinter und der Boden unter den Einbauten. Ein Kurzschluss hat die Sicherung rausgeworfen. Weltuntergang am Wochenende.
Jetzt versuche ich mein Glück im Baumarkt
Während ich entnervt alles aufwische, entschließe ich mich, mein Glück im Baumarkt zu versuchen. Tatsächlich, der nette Bauhaus-Verkäufer erkennt mein Zerstörungswerk an dem alten Griff, drückt mir einen neuen in die Hand und erklärt mir, wo sich die kleine Schraube versteckt. Während die Küche trocknet, mache ich mich ans Werk. Setze den neuen Griff auf und finde unter dem roten Punkt des alten Warmwassergriffes auch die besagte kleine Schraube. Alles easy, alles wieder gut. Jetzt wartet nur noch der Artikel auf mich.
Fotos: pixabay.com/Albert