Wenn Kinder aggressiv sind: Helfen statt betrafen

Manche Kinder reagieren schon bei kleinen Anlässen mit großer Wut. Was steckt dahinter?

Marvin ist gerade erst in die Spielecke gekommen, da bricht schon Streit aus. Der Vierjährige will ein Auto haben, mit dem zwei andere Kinder gerade spielen. Er nimmt es den beiden einfach weg. Kurz danach schubst er einen Jüngeren aus dem Weg, drängelt an der Leiter zur Hochebene und tritt ein Mädchen, das ihm nicht schnell genug Platz macht. Die Erzieher reagieren erst einmal genervt. Schon wieder Marvin! Der Junge ist bereits bekannt für sein aggressives Verhalten.

Beratung ist besser als Vorwürfe

Die Erwachsenen stellen ihn zur Rede, ermahnen ihn, jedoch ohne große Hoffnung auf Besserung. Denn sobald sie wieder draußen sind, wird Marvin seine Wut weiterhin an anderen auslassen. Die Erfahrung hat gezeigt: Gute Worte helfen wenig. Gespräche mit den Eltern haben bisher auch nichts gebracht. Die Betreuer im Team vermuten, dass der Junge zu Hause unverhältnismäßig hart bestraft wird, wenn sie seinen Eltern erzählen, was er in der Kita alles anstellt. Offenbar braucht Marvin eher Hilfe als Strafe, die Eltern eher ausführliche Beratung als Vorwürfe. Doch dazu fehlt im hektischen Kindergartenalltag meist die Zeit. Was kann man tun?

Hinter Aggressionen stecken Konflikte

Aggressionen sind bei Kinder häufig ein Hilfeschrei. Dahinter stecken Konflikte, starke innere Anspannung und oft ein geringes Selbstwertgefühl. Auch wenn sie sich ablehnend gegenüber anderen verhalten, sehnen Wutwichte sich – wie alle Menschen – nach Liebe und Anerkennung. Sie wissen nur noch nicht, wie sie sich verhalten müssen, um genau das zu erleben. Es nützt nichts, wenn Erwachsene ebenfalls sauer werden und aggressiv reagieren. Im Gegenteil: Der Konflikt schaukelt sich unnötig hoch. Das Kind lernt nur, dass der Lauteste und Stärkste am Ende gewinnt, aber kein anderes Verhaltensmuster, mit dem es friedlich zurechtkommen kann.

Erwachsene sollten nicht tatenlos zusehen

Schimpfen, aussperren, Aufmerksamkeit und Liebe entziehen  all das ist kontraproduktiv. Trotzdem dürfen Erwachsene nicht tatenlos zusehen. Sie sollten dem Kind statt dessen helfen, sein eigenes Verhalten zu kontrollieren. Aggressive Kinder verstehen Signale von anderen häufig falsch und reagieren deshalb unangemessen. Sie müssen lernen, wie andere sich verhalten und was das für sie selbst bedeutet. In welcher Situation befinde ich mich? Gibt es andere Wege als einfach zuzuschlagen oder andere wegzuschubsen? Wie kann ich Konflikte mit Worten lösen?

Trainieren in einfachen Rollenspielen

In einfachen Rollenspielen können Kinder das üben, wenn Erwachsene sie dazu anleiten und das richtige Verhalten loben. Das hat nicht nur einen Lerneffekt, sondern steigert auch das mangelnde Selbstbewusstsein. Denn jedes Lob macht stark. Und genau das brauchen die Betroffenen. Den meisten aggressiven Kindern fehlt es an Einfühlungsvermögen. Sie können sich nicht in andere hineinversetzen und deshalb auch nicht vorstellen, was die empfinden. Wenn Erwachsene Kinder anregen, über ihre Gefühle zu sprechen, kann es gelingen, dass die Kinder die fehlende Empathie entwickeln. Das klappt zum Beispiel mit Bildern von Gesichtsausdrücken. Wie zeigt sich Angst, Trauer, Wut? Das Kind wird angeregt, sich damit auseinanderzusetzen. Das wiederum hilft ihm, die eigenen Gefühle kennenzulernen und zu kontrollieren.

Mit Ritualen regelmäßig runterkommen

Auch wenn es im Alltag oft hektisch zugeht, sollten Erwachsene möglichst oft dafür sorgen, dass aggressive Kinder „herunterkommen“. Das kann durch Austoben im Garten geschehen oder auch im Rahmen von Entspannungsübungen. Feste Rituale – zum Beispiel das Vorlesen und Entspannen vorm Schlafengehen zu Hause – unterstützen das.

Foto: Albert

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