Leben mit Krebs: Was hilft, wenn man am Abgrund steht?

Sarah Blumenfeld hatte Krebs, der als unheilbar galt. Heute ist sie gesund und berät andere in Not

Mit 29 Jahren bekam Sarah Blumenfeld (Foto) Brustkrebs, galt nach mehreren Rückfällen als unheilbar – bis sie ihren eigenen Weg fand und gesund wurde. Heute, fast 20 Jahre später, berät sie Menschen, die an Krebs erkrankt sind, und hat über ihre Erfahrungen ein Buch geschrieben, mit dem sie anderen Betroffenen Mut macht. Denn sie weiß sehr genau, was hilft und was jeder für sich selbst tun kann, wenn die Krankheit zuschlägt: „Cancer Coaching: Eine genesene Krebs-Patientin und Onko-Beraterin klärt auf“ (ZS-Verlag, 22,99 Euro).

Sie waren gerade zum zweiten Mal Mutter geworden, als Sie die Diagnose Brustkrebs bekamen. Was ging damals in Ihnen vor?

Es war, als ob ich aus dem 20. Stock falle und auf dem Asphalt aufschlage. Die Realität war brutal, radikal, ohne jedes Mitgefühl. Mir wurde übel. Es drehte sich alles in mir. Ist das nun mein Ende? So kurz, nachdem ich meine beiden Kinder bekommen habe? Die Angst war schrecklich, meine Lage hoffnungslos. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich keinen Ausweg.

Es kam noch schlimmer?

Ich musste sechs Monate Chemotherapie durchstehen. Die erkrankte Brust wurde amputiert, Lymphknoten entfernt. Ein halbes Jahr später dann die zweite Diagnose: Lebermetastasen. „Sie haben nur noch ein halbes Jahr zu leben“, hieß es. Man legte mir nahe, in ein Hospiz zu gehen, um mir das Sterben zu erleichtern. Ich wollte das weder glauben noch annehmen.

Was passierte dann?

Ich lebte weiter, musste mich aber unbedingt von den Strapazen der Behandlungen erholen. Nur wie?. Ich war ausgelaugt, lehnte eine Kur aber trotzdem ab. Ich konnte mich doch nicht von meinen Kindern trennen. Ich wusste ja nicht mal, wie viel Zeit ich überhaupt noch hatte. Doch ich bemerkte allmählich, dass es mir guttun würde, umsorgt zu werden. Bis dahin hatte ich mir nie eingestanden, wie sehr mir das fehlte. Mein Mann zeigte wenig Verständnis. Trotz meiner Familie war ich letztendlich mutterseelenallein. In der Kur fasste ich wieder ein bisschen Mut für den nächsten Schritt.

Welcher war das?

Ich brauchte einen Ort, an dem ich über mich selbst bestimmen durfte. Ich wollte mir nicht mehr sagen lassen, wann ich sterben würde. So zog ich nach Heidelberg, um mich an der Universitätsklinik behandeln zu lassen. Ich musste meine Kinder zurücklassen, um richtig zu kämpfen. Das nicht zu tun, wäre wohl mein Tod gewesen. Die Entscheidung war hart, nackt und gefühllos. Nach den vielen schlechten Prognosen von angesehenen Ärzte erschien es ohnehin verrückt, überhaupt an ein Überleben zu glauben.

Was geschah in Heidelberg?

Es waren weitere Operationen nötig. Eine endet mit einem Herzstillstand, Reanimation und Koma. Als ich später die dritte Krebsdiagnose bekam, spürte ich, dass ich weitere Chemotherapien nicht überstehen würde. Ich wollte meinen eigenen Weg gehen, selbst die Verantwortung übernehmen. In Heidelberg fand ich Unterstützung dabei. Das machte mich stark. Ich war erfüllt von dem unbändigen Willen, wieder gesund zu werden.

Wie gelang das?

Ich versuchte nicht mehr, alles richtig zu machen. Bis dahin wollte ich immer perfekt sein. In jeder Hinsicht als Mutter, Ehefrau, Geschäftsfrau, Liebhaberin, Kumpel, Köchin, Sportskanone. Letztendlich war das ein Kampf gegen mich selbst. Für Perfektion ist bei Krebs überhaupt kein Platz. Die Krankheit ist eine Krise, eine totale Ausnahmesituation und zugleich der beste Moment, seine Glaubenssätze und Ängste zu überprüfen. Alles, was in uns nicht geklärt ist, kann die Entstehung oder ein Fortschreiten einer Erkrankung fördern.

Was heißt das konkret?

Ich fing an, mich mit Dingen zu beschäftigen, die mir und meinem Gegenüber gut tun, also meine Lebensqualität verbessern. Zum Beispiel beim Thema Kommunikation. Welche Worte verwenden wir gegenüber anderen und uns selbst? Verletzen sie mich, setzen sie jemanden unter Druck, wecken sie Erwartungen? Hole ich zum Gegenschlag aus? In Gesprächen entstehen schnell unnötige Konflikte in der Familie oder in der Partnerschaft. Ich suchte mir Räume, um mich um meine Seele zu kümmern.

Wie geht das?

Ich lernte unter anderem Visualisierungen und Meditation. Ich arbeitete Traumata aus meiner Kindheit auf, entdeckte die Bedeutung der Ernährung und fand zurück zu meiner früheren Begeisterung für den Sport. Auch der Umgang mit Stress, Schlaf, Gedanken und Konditionierungen ist häufig ein Knackpunkt. Das klingt vielleicht banal, ist aber ungeheuer wichtig. Heute gebe ich meine Erfahrungen an andere Betroffene weiter.

Was hätten Sie damals gebraucht?

Geholfen hätte mir damals sicherlich jemand, der mich vorbereitet hätte auf all das, was möglich ist. Der mir gesagt hätte, wie ich mit Ärzten sprechen und wonach ich fragen kann. Der mir Mut gemacht hätte, von Beginn an zu fordern oder eine Zweitmeinung einzuholen. Jemand, der mich durch all diese vielen Termine begleitet, um das riesige Durcheinander in eine Struktur zu bringen. Heute weiß ich, dass es wichtig ist, aus der Opferrolle herauszukommen und selbst Verantwortung zu übernehmen.

Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit als Cancer Coach aus?

Ich glaube, dass man seinen Gegner gut kennen sollte, wenn man wirklich gegen ihn antreten will. Meine Herzensarbeit ist für mich mit der Frage verbunden: Was braucht es, um gesund zu werden oder ein gesundes Leben zu führen? Für meine Arbeit steht mir ein umfassendes Netzwerk aus den Bereichen Schul- und Komplementärmedizin zur Verfügung. Ich habe mir über Jahrzehnte fundiertes Wissen angeeignet, um in erster Linie meine Lebensqualität und die meiner Familie zu verbessern. Dieses Wissen, möchte ich nicht zurückhalten.Wenn ich andere begleite, steht am Anfang immer eine umfassende Aufklärung über individuelle Möglichkeiten. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich am Ende nur sagen: „Höre auf deinen Bauch. Decke dich mit Wissen ein, fokussiere dich auf dich selbst, sortiere und fühle, was für dich das Beste ist.“

BUCH-TIPP

Cancer Coaching

Sarah Blumenfeld: Cancer Coaching – Eine Genesene und Onko-Beraterin klärt auf (ZS Verlag, 22,99 Euro)

Fotos: privat/silviarita@pixabay.com

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